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Teilnahme am Erntedankfest war weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit

Über die Strafanzeige im Bürgermeisterwahlkampf 2020

02.06.2021

 

Wiederholt wurde ich in der letzten Zeit gefragt, was denn aus der Anzeige gegen mich wegen meiner Teilnahme an einem Erntedankfest im September 2020 geworden ist. Daher habe ich mich entschlossen, nicht nur im persönlichen Gespräch, sondern auch an dieser Stelle Auskunft zu geben.

Die Anzeige hat eine bedeutende Rolle im Bürgermeisterwahlkampf 2020 gespielt. Einer der beiden Anzeigenerstatter brüstete sich später, er habe mich „schließlich ... mit einer Strafanzeige zu Fall gebracht..." Wäre das zutreffend, dann hätte mein Mitbewerber Thomas Katzer seinen Sieg in der Stichwahl der Strafanzeige zu verdanken. Besonders bemerkenswert ist, dass beide Anzeigenerstatter der Partei meines Mitbewerbers angehören. Sie haben ihn im Wahlkampf aktiv unterstützt. Daher teile ich im Folgenden nicht nur den Ausgang der Anzeige mit, sondern betrachte den gesamten Vorgang einschließlich der Berichterstattung über diesen.

Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Die Staatsanwaltschaft Detmold hatte mangels Anfangsverdachts keine Ermittlungen gegen aufgenommen. Das zuständige Ordnungsamt sah keine Ordnungswidrigkeit. Nach dem Erntedankfast gab es darüber hinaus keinen Hinweis darauf, dass sich das Coronavirus bei dem Fest ausgebreitet haben könnte.

Die Anzeige war also in der Sache nicht begründet. Sie hat aber im Wahlkampf eine erhebliche Rolle gespielt. Die große Bedeutung bekam sie insbesondere durch die Verarbeitung in den Augustdorfer Nachrichten (AN) und in der Lippe aktuell (LA; der Autor ist in beiden Medien derselbe).

Das Erntedankfest, die Anzeige und deren Einstellung wegen fehlenden Anfangsverdachts 

Was lag der Anzeige zugrunde? Am Tag der Bürgermeisterwahl, dem 13.09.2020, habe ich mit meiner Familie - wie jedes Jahr im September - das Erntedankfest der Baptisten-Brüdergemeinde in Augustdorf besucht. Das Ernetdankfest war kein wegen der Bürgermeisterwahl vorgezogenes Fest, wie einer der Anzeigenerstatter behauptet: Die Gemeinde feiert das Fest in jedem Jahr Mitte September und lädt dazu die Augustdorfer Bevölkerung u.a. mittels Bannern ein.

Natürlich habe ich im Vorfeld lange und intensiv darüber nachgedacht, ob eine Teilnahme wegen der Corona-Lage vertretbar war – bis ca. 1 Stunde vor Beginn des Gottesdienstes. Ich habe das Risiko, sich in Augustdorf mit dem neuartigen Corona-Virus zu infizieren, als sehr gering eingeschätzt. Zum Zeitpunkt des Erntedankfestes gab es in Augustdorf zwei aktive Fälle. Beide infizierten Personen standen unter Quarantäne (siehe dazu auch meine Stellungnahme, die ich unmittelbar nach dem Erntedankfest am 15.09.2020 verfasst habe).

Meine Risikoeinschätzung hatte sich im Nachhinein als richtig erwiesen. Die Quarantänelisten lieferten in den 2 Wochen nach dem Erntedankfest, also innerhalb der Inkubationszeit, keinen Hinweis auf eine Verbreitung des Corona-Virus beim Gottesdienst.

Am Tag der Kommunalwahl, dem 13.09.2020, erzielte ich von den 5 Bürgermeisterkandidaten mit einem Anteil von 44,13% (1.845 Stimmen) das beste Ergebnis. Der Zweitplatzierte war der SPD-Bürgermeisterkandidat Thomas Katzer mit 41,28% (1.726 Stimmen).

Dieses Ergebnis wird insbesondere bei den AN und bei der SPD für Überraschung gesorgt haben, denn: Die AN berichteten seit dem 20. Juli 2020 von Umfragen, nach denen der SPD-Kandidat, den die AN im Wahlkampf nach meinem Eindruck außerordentlich positiv begleitet hatten, einen klaren Sieg mit einem Vorsprung von über 20 Prozentpunkten vor mir zu erwarten hatte: 51,3% zu 29,8% (Bericht vom 05.09.2020).

Weil keiner der 5 Kandidaten im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht hatte, musste zwei Wochen später – am 27.09.2020 – eine Stichwahl durchgeführt werden.

Am 14.09.2020, also am Tag nach der Wahl, erstatteten zwei SPD-Mitglieder und aktive Unterstützer des SPD-Bürgermeisterkandidaten bei der Polizei „Strafanzeige wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung". Ausdrücklich benannt wurden der Leiter der Baptisten-Brüder-Gemeinde und der Bürgermeister als Leiter der örtlichen Ordnungsbehörde, „der offensichtlich diese Veranstaltung genehmigt hat". Einer der beiden Anzeigenerstatter hatte selbst an dem Gottesdienst - zusammen mit einem Kandidaten für den Gemeinderat der gleichen Partei - teilgenommen und dabei das Verhalten praktiziert, für das er den Gemeindeleiter und mich nachfolgend anzeigte.

Die Coronaschutzverordnung des Landes NRW stellte allerdings zu dem Zeitpunkt des Erntedankfestes nur wenige konkrete Anforderungen an Gottesdienste. Auch dazu habe ich hier ausführlich Stellung bezogen. Man kann die Freiheit, die das Land für Gottesdienste belassen hat, richtig finden oder auch nicht: Der Gottesdienst war zulässig und er hat, soweit bekannt, nicht zu neuen Infektionen geführt (s.o.). Das Erntedankfest musste auch nicht, wie von den Anzeigenerstattern geäußert, vorher vom Bürgermeister genehmigt werden.

Folglich stellte das Ordnungsamt keine Ordnungswidrigkeit fest. Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen keine Ermittlungen auf, weil es keinen Anfangsverdacht gab. Sie hatten untersucht, ob eine Straftat nach § 75 Infektionsschutzgesetz vorlag. Das wäre insbesondere der Fall gewesen, wenn ein wissentlich Infizierter an dem Erntedankfest teilgenommen hätte. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren allerdings erst Mitte Oktober ein, so dass das Thema bis zur Stichwahl akut war.

Entgegen der Ankündigung der AN gab es keine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft

Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass das Verfahren mit der Einstellung durch die Staatswanwaltschaft Detmold abgeschlossen war. Entgegen der Ankündigung der AN auf vom 30.10.2020 auf Facebook, nach der „die Anzeigenerstatter Beschwerde gegen eine Nichtverfolgung" einlegen wollen und „die Angelegenheit in Kürze durch die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm untersucht" werde, teilten mir sowohl die Generalstaatsanwaltschaft Hamm als auch die Staatsanwaltschaft Detmold mit, dass es keine Beschwerde gab.

Die Berichterstattung in den AN zur ersten Anzeige

Weil – wie eingangs erwähnt – sich einer der beiden Anzeigenerstatter in einem Kommentar vom 31.01.2021 auf der Internetseite der AN damit brüstete: „Ich ... habe schließlich den Herrn Doktor mit einer Strafanzeige zu Fall gebracht...", beleuchte ich die Vorgänge um die Anzeige im Folgenden näher. Denn nach dieser Aussage des langjährigen SPD-Mitglieds und aktiven Unterstützers des SPD-Bürgermeisterkandidaten verdankt mein Nachfolger seinen Wahlsieg in der Stichwahl der Anzeigenerstattung.

Beginnen wir mit der Betrachtung der Berichterstattung der Augustdorfer Nachrichten nach dem Wahltag. Am 14.09.2020 gab es zuerst einen Artikel mit dem Titel „Wulf verliert die meisten Stimmen, FDP verliert Fraktionsstatus". Tatsächlich hatte ich gegenüber der Wahl vom 13.09.2015 14 Stimmen weniger (1.859 zu 1.845). Am 13.09.2020 hatten aber fünf  Personen kandidiert, 2015 waren es nur zwei. Die drei neuen Kandidaten erzielten zusammen 610 Stimmen. Vor diesem Hintergrund sind 14 Stimmen m.E. recht wenig.

Am gleichen Tag gab es einen weiteren Bericht der AN, der mit einem Zitat von Thomas Katzer betitelt war: „Danke für das große Vertrauen, jetzt nehmen wir die nächste Hürde". Diese beiden Berichte fügten sich nach meinem Eindruck in die Berichterstattung der AN vor der Wahl ein, die viele Leser, u.a. in Kommentaren auf Facebook, als nicht neutral und als parteiisch empfunden haben. Der Tenor der Texte war: Wulf ist der Verlierer, Katzer ist auf dem Weg zum Sieg.

Dann folgte am 15.09.2020 die Meldung der AN über die Strafanzeige mit dem Titel „Augustdorfer stellt Strafanzeige gegen Wulf". Entgegen dem Titel war es nicht ein Anzeigenerstatter, sondern es waren zwei. Die am 14.09.2020 erstattete Anzeige lag den AN dem Bericht nach vor. In einem Kommentar zu einem Facebook-Post vom 17.09.2020 teilten die AN mit, dass sich die Anzeigenerstatter an die AN gewandt hatten. Die Anzeige und die mediale Verarbeitung durch die AN muss man also im Zusammenhang sehen.

In dem Bericht der AN kommen weder der beschuldigte Gemeindeleiter noch ich zu Wort. Den Betroffenen zum Vorgang Stellung nehmen zu lassen, gebietet aber die journalistische Sorgfaltspflicht (§ 6 Landespressegesetz NRW). So haben es auch die die Lippische Landeszeitung und der WDR getan, die nachfolgend berichteten. Die AN hingegen verstärken die Wirkung der Anzeige durch Spekulationen, die sie im Schlusssatz formulierten: „Für Wulf, der sich in zwei Wochen mit einer Stichwahl konfrontiert sieht, bedeutet das, dass er wahrscheinlich in Kürze gegenüber der Staatanwaltschaft sein Handeln am Wahlsonntag erklären muss". Dazu kam es nicht, wie ich oben bereits geschrieben habe.

Während die Lippische Landeszeitung und der WDR nur einmal berichteten, hielt die AN das Thema am Köcheln. So berichteten sie am 16.09.2020 unter der Überschrift „Nach Strafanzeige: Verständnislosigkeit über Wulfs Verhalten" mit dem Untertitel „Ob das Verhalten von Dr. Andreas Wulf in diesen schwierigen Zeiten vorbildlich war, habe ich persönlich meine Zweifel" über Diskussionen auf Facebook. Im Text wurden die, die mich unterstützen, abgewertet („verfielen in die üblichen Reflexe") und die Kritiker aufgewertet („äußerten sich differenzierter"). Nicht berichtet wurde über die umfangreiche Kritik (Facebook-Diskussion zum Bericht vom 15.09.2020) an den Anzeigenerstattern und an der Berichterstattung der AN selbst. Wieder kam ich nicht persönlich zu Wort. Auf den Inhalt meiner Stellungnahme vom 15.09.2020 wurde nicht näher eingegangen.

Am 16.09.2020 kam der WDR mit einem Kamerateam nach Augustdorf. Die AN kündigten den WDR-Bericht, der am Abend desselben Tages ausgestrahlt werden sollte, auf Facebook an. Am 17.09. berichten die AN über den WDR-Bericht mit der Überschrift „Strafanzeige: Wulf hat kein Einsehen/ WDR berichtet". Unterstützer meines Verhaltens kommen nicht zu Wort. Der Autor der AN äußert hier schon, dass mein Verhalten strafrechtlich möglicherweise nicht relevant sei. Nach seinem Urteil sei es aber moralisch falsch. Der Wechsel von der rechtlichen auf die moralische Ebene ermöglichte es, den Vorwurf gegen mich aufrecht zu erhalten.

Die zweiten, anonymen Anzeigen

Für mich war klar, dass die Beschuldigung noch vor der Stichwahl als unbegründet erledigt werden konnte. Ich habe mich daher gefragt, was die Unterstützer der Anzeige unternehmen könnten, damit bis zur Stichwahl die Frage offen blieb, ob ich eine Straftat begangen habe. Es hat mich dann nicht besonders überrascht, dass die AN in einem Kommentar zu einer Facebook-Meldung vom 17.09.2020 ankündigten: „Im übrigen werden heute zwei weitere Augustdorfer Strafanzeige GEGEN Herrn Wulf erstatten. Wir haben die Anzeigen fotografiert."

Die Anzeigenerstatter geben sich nur gegenüber den AN zu erkennen

Demnach sind die also die weiteren Anzeigenerstatter zuerst zu den AN und erst danach zur Polizei gegangen. Bemerkenswert ist: Die weiteren Anzeigenerstatter blieben gegenüber der Polizei anonym. Den AN haben sie sich aber persönlich offenbart.

Die beiden Anzeigen wurden am Abend des 18.09.2020 bei der Polizeiwache Detmold abgegeben, und zwar nur von einer männlichen Person. Diese wollte gegenüber der  Polizei keine Personalien angeben. Die Person gab zwei maschinell beschriebene Zettel ab. Auf beiden befindet sich weder ein Absender noch eine Unterschrift. Der eine Zettel ist auf den „18.09.20", der andere auf den „18.09.2020" datiert.

Bevor ich den Inhalt der Zettel schildere, will ich noch einmal deutlich machen, wie der Diskussionsstand war: Aufgrund der ersten Anzeige der beiden SPD-Mitglieder und Unterstützer meines Mitbewerbers wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich um eine Kampagne der SPD handle. Außerdem war durch die Debatten deutlich geworden, dass ich insbesondere in christlichen Kreisen viel Rückhalt genoß. Meine Gegner im Wahlkampf mußten also ein Interesse daran haben, einerseits die SPD zu entlasten und andererseits die Unterstützung durch Christen in Frage zu stellen.

Nun also zu dem Inhalt der Anzeigen: Auf dem ersten wird behauptet, dass während des Gottesdienstes eklatant gegen die Coronabestimmungen verstoßen worden sei. Dann wird es widersprüchlich: Es wird zunächst festgestellt, dass ein Gemeindemitglied von den Gottesdiensten immer Video- und Photoaufnahmen mache. Anschließend wird aber behauptet, es sei nicht nachvollziehbar, wer an dem Gottesdienst teilgenommen und wer wo gesessen habe. Als Zeugen werden die beiden Erstatter der ersten Anzeige angegeben (von denen aber nur einer selbst am Gottesdienst teilgenommen hat). Beide Zettel enthalten – wie schon die erste Anzeige vom 14.09.2020 – eine Strafanzeige wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Auf dem zweiten Zettel wird fälschlich behauptet, beim Erntedankfest wären keine Coronabestimmungen eingehalten worden und im Rathaus würde alle mit Masken herumlaufen.

Am 19.09.2020 berichteten dann die AN - wie angekündigt - über zwei weitere Strafanzeigen. Erneut haben die AN mir keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, was der journalistischen Sorgfaltspflicht entsprochen hätte.

Gegenüber den AN offenbarten sich die beiden Anzeigenerstatter, die gegenüber der Polizei und der Öffentlichkeit anonym bleiben wollten. Man erfährt, dass die Anonymen Augustdorfer, Senioren und „engagierte Christen" sein und keiner Partei angehören sollen. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die fehlende Parteimitgliedschaft wurde zum Ausdruck gebracht: Nicht nur engagierte SPD-Mitglieder zeigen den Bürgermeister an. Interessant ist auch der Hinweis auf den christlichen Hintergrund. Mir gegenüber haben sich schon viele als Christen, niemand aber als „engagierter Christ" ausgegeben. Dass ein Christ engagiert ist, ist meistens eine Zuschreibung von anderen. Mit der Betonung des christlichen Hintergrunds konnte nun der Eindruck entstehen, dass sich Christen von mir abwenden.

Die anonymen Anzeigenerstatter äußern, dass sie sich über mich geärgert und aus Verärgerung Anzeigen erstattet hätten. Die rechtliche Sichtweise sei für sie zweitrangig. Das ist nun wirklich erstaunlich: Wer erstattet denn Strafanzeige, wenn die Frage, ob eine Straftat begangen wurde, zweitrangig ist? So etwas machen "engagierte Christen"? Angeblich hat das Fass zum Überlaufen gebracht, dass ich mich auf die Bibel bezogen habe. Also haben mich die beiden „engagierten Christen" angezeigt, weil ich versuche, Gottes Aufforderung „Fürchtet Euch nicht" ein großes Gewicht in meinem Leben zu verleihen? Ich kenne solche Christen nicht.

Sprachen die beiden Anzeigenerstatter gleichzeitig oder nacheinander das Gleiche?

Besonders bemerkenswert ist auch: Sämtliche wörtliche Rede stammt von beiden! Die zitierten Sätze haben die beiden Anzeigenerstatter also gleichzeitig oder nacheinander wortgleich gesprochen, z.B.:
• „Wir haben das gemacht, weil uns die Argumentation von Herrn Wulf in den vergangenen Tagen sehr sauer aufgestoßen ist."
• „Hier geht es nicht um die Stichwahl, sondern um die Beschädigung der Gemeinde Augustdorf durch den Bürgermeister."
• „Aus dem Grund haben wir beide jeweils eine Strafanzeige gestellt, die sich direkt gegen den Leiter der Gemeindeverwaltung, Herrn Dr. Wulf richtet."
• „Damit es nachher nicht wieder heißt: „die Anzeige war ja nicht gegen mich gerichtet" [um das zu vermeiden hätten die Anzeigenerstatter die Anzeigen vor der Abgabe den Augustdorfer Nachrichten gezeigt]
• „Wir hätten uns gewünscht, dass er sich hinstellt und zugibt, falsch gehandelt zu haben."
• „Das macht kein Christ. So etwas können wir als engagierte Christen nicht akzeptieren."

Die Anzeigenerstatter sind demnach zwei Menschen, die gleich denken und gleich sprechen – die sich allerdings nicht darauf verständigen konnten, eine Anzeige gemeinsam zu verfassen, so wie die beiden ersten Anzeigenerstatter es gemacht haben.

Der Autor der AN verzichtet in seinem Text auf entlastende Äußerungen. Stattdessen verstärkt er die Verdächtigungen, indem er schreibt, an der Anzeige sei „pikant", dass darin explizit darauf hingewiesen würde, dass es neben dem Gottesdient ein Fest gegeben habe, bei dem Speisen und Getränke eingenommen wurden. Das verstoße gegen die Coronaschutzverordnung.

Schon ein kurzer Blick in die Coronaschutzverordnung hätte dem Verfasser allerdings deutlich gemacht, dass die Coronaschutzverordnung nicht Gottesdienste, sondern „Versammlungen zur Religionsausübung" geregelt hat. Die können natürlich beinhalten, dass auch Speisen gereicht werden. So findet man zum Beispiel auf der Internetseite der Lippischen Landeskirche Handlungsempfehlungen zum Anbieten von Speisen und Getränken vom 24.09.2020, in denen es einleitend heißt: „Das Anbieten von Speisen und Getränken erscheint aufgrund der geringen Infektionsgefährdung durch Lebensmittel wieder in einem größeren Umfang möglich, wenn bestimmte Hygieneregeln beachtet werden." Elf Tage nach dem Ernetdankfest erklärt also die bezüglich Corona sehr vorsichtige Lippische Landeskirche, dass das gemeinsame Speisen im Rahmen religiöser Versammlungen vertretbar ist.

Auf ihrer Facebookseite treten die AN dann quasi als Sprecher der beiden anonymen Anzeigenerstatter auf und erläutern in Kommentaren deren Beweggründe („Dem widersprechen die Anzeigenerstatter". „Genau den Punkt, den Sie ansprechen, war den beiden wichtig".)

Das ist schon insgesamt eine sehr ungewöhnliche Geschichte.

Weitere Kritik und folgenlose Ankündigungen

Am 20.09.2020 geben die AN die Behauptung der anonymen Anzeigenerstatter dann so wieder, dass es als Tatsache verstanden werden kann: Es habe sich um ein Fest gehandelt, das nicht hätte stattfinden dürfen. Wie schon erwähnt, hätte eine kurze Recherche ergeben, dass die Einnahme von Speisen im Rahmen eines Erntedankfestes eben kein verbotenes eigenständiges Fest war. Und die AN tragen noch einmal Kritik an mir vor. Die Leser hätten übereinstimmend erklärt, dass ich das Erntedankfest nicht hätte besuchen sollen. Wie der Autor diese Übereinstimmung festgestellt hat, bleibt offen. Die Diskussionen auf Facebook geben diese Aussage m.E. nicht her. Er schließt mit der Aussage, dass sich „manch einer" von mir die Aussage gewünscht hätte, dass „das Fest" nicht hätte stattfinden dürfen.

Mit der Überschrift „Erstes Gemeindemitglied erklärt: „Wir haben falsch gehandelt" wird suggeriert, dass weitere Gemeindemitglieder sich von dem Fest distanzieren werden. In einem Kommentar verstärkt der Autor der AN dann noch einmal diesen Eindruck („Es ist ein Anfang und die Diskussion der letzten Tage scheint ein Umdenken zu bewirken"). Im Gegensatz dazu stand ich weiterhin zu dem Erntedankfest. Dieser Kontrast – ein (anonymes) Mitglied des Veranstalters distanziert sich, Wulf steht zur Teilnahme – scheint die zentrale Aussage des Autors der AN zu sein, wie zwei Kommentatoren auf der Internetseite der AN bestätigen. Weitere öffentliche Distanzierungen von Gemeindemitgliedern sind mir nachfolgend nicht bekannt geworden.

In einem Kommentar zu dem FB-Post vom 20.09.2020 kündigen die AN dann noch an, dass sie „gemeinsam mit den Kollegen von „Die Welt" an dem Thema dran" seien. „Vielleicht nächste Woche schon mehr ..." Mir ist auch dieser angekündigte Bericht in „Die Welt" nicht zu Gesicht bekommen.

Wie ist Ihre Meinung?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Berichterstattung in den AN und nachfolgend in der LA den Ausgang der Stichwahl stark beeinflusst hat. Die AN schrieben am 31.12.2020, dass der Artikel „Strafanzeige gegen Dr. Andreas Wulf" der meistgelesene Artikel des Jahres war.

Jeder mag sich ein eigenes Bild von den Vorgängen machen. Über Ihre Mitteilung freue ich mich.